Last Updated on 23. Februar 2023 by Marita
Wechselmodell oder nicht. Mal ist das Kind da, dann ist es wieder weg. So ist das im Patchwork.
Unterschiede gibt es dabei in der Häufigkeit und Dauer der Umgänge. Das perfekte Modell gibt es nicht, darin sich sich Erziehungswissenschaftler einig. Vielmehr hat jedes seine Vor- und Nachteile. Die Konstellation ist in Patchworkfamilien sehr individuell, Eltern kommen unterschiedlich gut miteinander und den neuen Partnern aus und jedes Kind reagiert anders auf Übergänge und Wechsel.
Ich habe in den letzten 10 Jahren sowohl das Residenzmodell als auch das Wechselmodell als verschiedene Formen des Umgangs mit meinem Bonussohn miterlebt und schildere in diesem Artikel meine persönliche Sichtweise als Stiefmutter.
Insgesamt unterscheidet man folgende grundlegende Modelle des Umgangs nach einer Trennung:
Residenzmodell – Der Klassiker im Umgangsrecht
Beim Residenzmodell wohnt das Kind bei einem Elternteil und besucht den anderen in der Regel jedes 2. Wochenende sowie ggf. einen oder mehrere Tage unter der Woche. Bis 2015 war dies das Standardmodell für Nachtrennungsfamilien. Auch heute noch lebt das Kind in über 90% der Fälle bei der leiblichen Mutter.
Vorteile des Residenzmodells
- Für viele Kinder ist es hilfreich, ein stabiles Umfeld zu haben.
- Der Schulalltag ist immer gleich, es gibt einen festen Lebensmittelpunkt.
- Der Elternteil, bei dem es lebt, ist die Hauptbezugsperson: Geborgenheit, Sicherheit und Stabilität für das Kind
Grenzen des Residenzmodells
- Durch die kurze Zeit des Umgangs (ca. 4 Tage im Monat) hat der andere Elternteil wenig Einflussmöglichkeit auf die Erziehung und Entscheidungen im Alltag.
- Zu neuen (Halb)Geschwistern gibt es wenig Kontakt.
- An den Umgangswochenenden kommt leicht eine „Besuchsatmosphäre“ auf, also nur zu Besuch zu sein und nicht wirklich dazu zu gehören.
Wer ist denn hier zu Hause?
Wechselmodell – Mehr Rechte für Väter
Beim Wechselmodell (auch Pendelmodell oder Doppelresidenzmodell genannt) hat das Kind zwei Wohnorte, nämlich bei beiden getrennt lebenden Elternteilen. Die Aufteilung der Zeit muss nicht 50:50 sein, auch Verhältnisse von 30:70 sind möglich. Diese Umgangsregelung ist noch sehr jung. Anfang Oktober 2015 verabschiedete die Parlamentarische Versammlung des Europarats eine Resolution mit dem Titel „Gleichberechtigung und geteilte elterliche Verantwortung“. Diese sollte dazu dienen eine Gleichberechtigung zwischen getrennt lebenden Vätern und Müttern im Umgang mit ihren Kindern zu erzielen.
Seit einigen Jahren kann das Wechselmodell gerichtlich angeordnet oder von einem Elternteil gegen den Willen des anderen eingeklagt werden. Immer wieder ist die Rede davon, es als Standard einzuführen, was ebenso häufig zu Protesten führt. Da die Basis eine gute Beziehung der Eltern untereinander ist, ist ein solcher Einstieg vermutlich nicht hilfreich.
Voraussetzungen für das Wechselmodell sind räumliche Nähe, eigenes Zimmer in beiden Wohnungen und eine gesicherte Betreuung. Es funktioniert nur dann, wenn Absprachen zwischen den Eltern gut laufen. Eine wertschätzende Kommunikation ist die Basis, damit sich alle Beteiligten wohl fühlen. (Das ist nicht nur im Wechselmodell so, hier aber besonders entscheidend für einen reibungslosen Alltag und Wechsel)
Vorteile beim Wechselmodell
- Der größte Vorteil des Wechselmodells ist, dass das Kind sich nicht für ein Elternteil entscheiden muss. Dadurch befindet sich das Kind in keinem Loyalitätskonflikt und die Bindung zwischen Eltern und Kind ist nicht gefährdet.
- Eltern können die Belastung von Arbeit und Kinderbetreuung unter sich aufteilen. Somit können sich beide in „ihrer“ Zeit besser und aufmerksamer um das Kind kümmern.
- Die Verantwortung für das Kind wird gleichermaßen auf die Eltern aufgeteilt, was oftmals zu einer Entlastung für die Mütter und einer Bereicherung der Väter hinsichtlich ihrer Bindung zu ihren Kindern führt.
Schwierigkeiten im Wechselmodell
- Manche Kinder haben Schwierigkeiten, wenn ein eindeutiger Lebensmittelpunkt fehlt. Durch den ständigen Wechsel können sie sich unsicher fühlen, „auseinandergerissen“ und nirgends so richtig zu Hause. Das drückt sich dann auch im Verhalten aus.
- Das Wechselmodell scheitert in den meisten Fällen entweder daran, dass mindestens einer der Elternteile finanzielle Nachteile befürchtet (Unterhaltszahlungen) oder an der Entfernung der Wohnorte der Kindeseltern.
Nestmodell – Alternative Wohnform für Trennungskinder
Das Nestmodell (Nest-Parenting-Modell) legt den Fokus auf das Kind, das im elterlichen Zuhause wohnen bleibt. Beide Elternteile betreuen das Kind abwechselnd in seinem Zuhause. In der restlichen Zeit leben sie entweder in einer oder zwei eigenen Wohnungen oder bei ihren neuen Partnern. Bisher spielt dieses Modell eine sehr untergeordnete Rolle. Oft ist das Nestmodell nur ein Übergangsmodell, das spätestens dann schwierig wird, wenn das Patchworksystem größer wird.
Dieses Modell habe ich der Vollständigkeit halber mit aufgeführt. In der Praxis ist es wenig verbreitet, und auch ich selbst habe damit keine Erfahrung gemacht.
Meine Erfahrungen im Residenzmodell
Als ich meinen Mann kennengelernt habe, lebte sein Sohn bei dessen Mutter. Die Umgänge fanden von Anfang an regelmäßig jedes zweite Wochenende statt. Seit der Trennung, die zeitnah nach der Geburt erfolgte, wohnen die Eltern 100 km voneinander entfernt. Als ich Tom kennenlernte, war er 1,5 Jahre alt.
Es gab die „Tom-Wochenenden“ und die Zeit dazwischen. Aus der emotionalen Achterbahnfahrt habe ich den Stiefmutter-Zyklus entwickelt. Vorbereitung – Übergabe – Aufenthalt – Übergang – Pause. Diese Phasen wechseln sich aus Sicht der Stiefmutter ab. Dabei hat jede Phase ihre eigene Dynamik und Herausforderungen, sogar die Zeit, in der das Kind gar nicht da ist!
„Augen zu und durch“ – lieber nicht!
Im klassischen Residenzmodell ist das Bonuskind nur 4 Tage im Monat da. Das führt leicht zu einer „Augen zu und durch“ Haltung, wenn es nicht so gut läuft. „Es wird schon gehen, sich für die kurze Zeit einfach zurückzunehmen“, denkst Du vielleicht. Das ist aber ein Trugschluss. Denn über kurz oder lang reicht das eben nicht mehr. Frust entsteht über das vermeintlich fehlende Verständnis vom Partner, mangelnden Respekt und nicht gesehen zu werden. Außerdem ist Lebenszeit einfach zu wertvoll, um sie nur „rumzukriegen“.
Die Zeit dazwischen gut nutzen
Als positiv empfand ich, in den Zeit zwischen den Wochenenden die erlebten Situationen zu reflektieren. Wo hatten mein Partner und ich andere Ansichten über Erziehung? Was ist gut gelaufen? Was hat mir gefallen? Was möchte ich beim nächsten Mal anders machen? Wo möchte ich mich selbst anders verhalten? Was wünsche ich mir von meinem Partner? Warum wünsche ich mir das? Was steckt hinter diesem Wunsch? Wie kann ich in dieser Hinsicht selbst für mich sorgen? Den Austausch darüber, wie wir mit Kindern umgehen wollen, war eine gute Basis für unser gemeinsames Elternsein.
Es ist nie zu spät um anzufangen, Dinge zu verändern
Durch die Geburt meiner leiblichen Kinder hat sich vieles an meiner Einstellung zu Erziehung geändert. Ich bedauere im Nachhinein, dass ich viele Dinge zum bedürfnisorientierten Umgang noch nicht wusste, als mein Bonuskind klein war. Da mir ein wertschätzendes Miteinander wichtig ist, gehe ich heute anders mit ihm und allen Familienmitgliedern um. Ich möchte Dich an dieser Stelle ermutigen: Es ist nie zu spät, um etwas anders zu machen und damit anzufangen. Gleichzeitig bringen Selbstvorwürfe über die Vergangenheit Dich nicht weiter. Zum damaligen Zeitpunkt habe ich (und hast Du) es so gut gemacht wie ich konnte. Dann lernt man im Leben Dinge dazu, gewinnt Erkenntnisse – und dann macht man es ein Stückchen „besser“ und passend zu dem jetzigen Erfahrungshorizont.
Auch Residenzmodell, aber ganz anders
Im Sommer 2017 hat mein Bonuskind seinen Lebensmittelpunkt zu uns verlegt. Der Impuls dazu kam von seiner Mama, die aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht mehr gut für ihn sorgen konnte. Die Entscheidung haben wir 3 Erwachsenen gemeinsam getroffen und den Kindern zusammen gesagt. Dafür haben wir mit der Kindsmutter eine Grillparty bei uns im Garten veranstaltet. Für Tom war es wichtig zu sehen, dass es ein einvernehmlicher Entschluss war. Das erfüllt das Bedürfnis nach Struktur und Klarheit.
Die erste Zeit nach seinem Einzug war sehr anstrengend. Er hat seine Mama vermisst, ist nicht gut in der Schule angekommen (er hat zur 3. Klasse gewechselt) und war oft wütend, ohne genau benennen zu können, was in ihm vorgeht. Das aufzufangen und seine Gefühle auszuhalten und zu begleiten war oft nicht leicht.
Entwicklung, Erkenntnisse und Zweifel
Die Übergänge waren so gestaltet, dass seine Mama ihn freitags von der Schule mitgenommen hat und der Papa ihn am Sonntagabend bei ihr wieder abgeholt hat. Teilweise hat er mehrere Tage gebraucht, um wieder bei uns anzukommen und sich einzuleben. Ich habe in der Zeit gelernt, dass vieles, was ich vorher in den kurzen Begegnungen am Wochenende zu verstehen glaube, nicht immer tatsächlich so war. Dass Tom in der Schule Probleme hatte, war z.B. nicht die „Schuld“ der Mutter.
Wir haben des öfteren überlegt, ob das jetzige Modell wirklich die beste Lösung ist oder was wir ändern können. Dieses ständige Hinterfragen verbraucht unglaublich viel Energie, die dann nicht für die Bewältigung der Probleme zur Verfügung steht. Deshalb haben wir einen Zeithorizont vereinbart, bis zu dem wir das jetzige Modell auf jeden Fall durchführen. Zunächst ein Schulhalbjahr, dann bis zu den Sommerferien, danach bis zum Ende der Grundschule… Mittlerweile geht Tom in die 5. Klasse der weiterführenden Schule und lebt immer noch bei uns.
Notwendige Voraussetzungen, damit es gelingt
Unter uns Erwachsenen hat sich das Verhältnis geändert. Wir haben häufiger miteinander gesprochen und ich hatte den Eindruck, dass wir „in einem Boot sitzen“ und gemeinsam das Beste für Tom wollen. So haben wir z.B. die Infotage der weiterführenden Schulen alle zusammen besucht. Der Kontakt zwischen seiner Mama und mir wurde selbstverständlicher. Kommunikation ist wirklich der Schlüssel für gelingendes Patchwork! Dabei geht es nicht darum, mit allem einverstanden zu sein, was der andere tut (das ist bei uns auch nicht der Fall!). Aber man muss es gegenseitig stehenlassen können, die eigenen Bewertungen zurückstellen und schauen, was es braucht, damit sich alle gut gesehen fühlen.
Wenn Dein Bonuskind fast immer bei Dir ist, braucht es als Stiefmutter ein absolutes Commitment. Ja, ich will das! Ja, ich glaube daran, dass das gut ist! Ja, das ist mein Leben, für das ich mich entschieden habe. Auch wenn es schwierige Situationen gibt, wenn die Kraft aufgebraucht ist, wenn Du wütend, traurig, erschöpft, verzweifelt oder alles auf einmal bist. Du hast Dich dafür entschieden. Es ist Deine Verantwortung, wie es Dir geht und dafür zu sorgen, was Du selbst brauchst. Nur mit dieser Haltung kann es auf Dauer funktionieren. Das mag vielleicht hart klingen, in Wahrheit bringt Dich diese Eigenverantwortung raus aus der „Opferrolle“ und rein in Deine eigene Handlungsfähigkeit. Das sage ich aus meiner eigenen Erfahrung und aus meiner Sicht als Familiencoach.
Und dann kam Corona
Unsere Familie gehört zu den Corona-Gewinnern, würde ich sagen. Wir waren 15 Wochen lang von Mitte März bis Ende Juni fast ausschließlich zu Hause. Tom war in der ganzen Zeit bei uns – und ist innerlich zur Ruhe und wirklich angekommen. Durch das Homeschooling hatte er viel Freiraum und viel Zeit zum Spielen mit den Schwestern. Die drei Geschwister haben sich (auch durch Streiten und Konflikte) eingeruckelt und zusammengefunden. (Was wir in der Zeit erlebt haben, kannst Du in den vorherigen Blogartikeln lesen.)
Auch unser Verhältnis ist inniger geworden. Tom hat mich immer mehr an sich herangelassen, wollte mit mir kuscheln und von mir ins Bett gebracht werden. Ich habe diese Entwicklung bewusst wahrgenommen und genossen. Er hat gemerkt, dass er genauso viel Zuwendung, Aufmerksamkeit und Liebe von mir bekommt wie seine Schwestern.
Bevor Du fragst: Natürlich hat er immer mal wieder seine Mama vermisst. Der Zeithorizont „nach Corona“ war für ihn aber so akzeptabel, dass er nicht auf einen Termin hingefiebert hat. Stattdessen hatten die beiden Kontakt über Video, Telefon, Sprachnachrichten und Briefe. Ich habe ihr täglich Fotos geschickt und sie an unserem Tag teilhaben lassen. Sie hat gesehen, dass es Tom gut geht und bewusst die Entscheidung getroffen, ihm diese Ruhe, Struktur und Zeit mit den Mädchen zu geben.
Als es darum ging, wieder mit den Umgängen anzufangen, haben wir überlegt, dass zwei Tage Wochenende zu kurz sind. Stattdessen wollte Tom seine Arbeitsblätter mitnehmen und bei der Mama Hausaufgaben machen. Durch die ausgesetzte Schulanwesenheitspflicht ist diese Möglichkeit überhaupt erst entstanden. Das war:
Unser Start ins Wechselmodell
Am Abend vorher habe ich notiert:
Fast 15 Wochen – so lange war mein BK jetzt non-stop bei uns. Morgen fährt er wieder zu seiner Mama. Als ich ihn gerade ins Bett gebracht habe, war er sehr aufgeregt. „Na klar, Du freust Dich total auf morgen! Dann kannst Du endlich wieder mit Deiner Mama kuscheln. Das ist doch am allerschönsten.“ Er überlegt einen Moment. Dann drückt er mich an sich und sagt: „Mit Dir kuscheln ist genauso schön.“ Wow!
Die intensive Zeit zusammen hat uns gut getan. Ich bin dankbar für die Verbindung, die wir zueinander aufgebaut haben. Jetzt lässt er zu, dass ich ihn ins Bett bringe. Er kuschelt mit mir, er sagt: „Ich mag Dich!“ und gibt mir Küsschen. Das alles gab es lange nicht. Ich frage mich schon, wie es nach der Zeit bei seiner Mama wird. Was sich dadurch verändert, was für einen Einfluss es auf unser Familiensystem hat. Und gleichzeitig sehe ich es als große Chance für Patchwork auf Augenhöhe.
Patchwork heißt auch, immer wieder Abschied zu nehmen
Den Schwestern fiel es sehr schwer, ihren großen Bruder nach so langer Zeit gehen zu lassen. Dabei kennen sie dieses Spiel doch schon jahrelang. Vor Corona war es ganz normal, dass der Große mal dabei ist und dann bei einigen Aktivitäten eben nicht, wenn er bei seiner Mama ist. „Aus den Augen aus dem Sinn.“, positiv gemeint im Sinne von Leichtigkeit und Gelassenheit.
Während der Woche Abwesenheit in den ersten Umgängen nach Corona hingegen war er durchgehend präsent. Er wurde von den Mädchen sehr stark vermisst, und es kam des öfteren die Frage auf, was er jetzt wohl macht und wie schade es ist, dass er nicht bei uns ist. Über die Tage hinweg gingen immer wieder Bilder und Nachrichten hin und her (auf den Handys von mir und der KM). Am Abend wollte die Schwester ihn unbedingt anrufen, um gute Nacht zu sagen. Es flossen sogar ein paar Tränen. Es berührt mich sehr zu sehen, wie die Geschwister durch die intensive gemeinsame Zeit zusammengewachsen sind.
Wechselmodell: Vermissen, Vorfreude und Vorbereitung
Patchwork❤️Moment: Morgen kommt der große Bruder von seiner Mama zurück.
Als Willkommensgeschenk haben die Schwestern (mit Unterstützung des Papas) seine ganzen Spielzeugautos mit Zahnbürsten sauber geputzt. ❤️ So sehr freuen sie sich auf ihn. Diese innige Beziehung ist auch erst seit der Corona-Zeit so geworden.
Da sind die 3 Geschwister wieder vereint. ❤️ Vom ersten Moment an war es so, als ob der Große niemals weg gewesen wäre. Den Nachmittag über haben sie friedlich miteinander gespielt. Ich bin erleichtert, dass der erste Wochenwechsel so gut geklappt hat. Bisher scheint es keine Anpassungsschwierigkeiten zu geben.
Mein Eindruck nach den ersten Wochen im Wechselmodell
Ich, die Kinder, die ganze Situation sind entspannt. Die längeren regelmäßigen Perioden sorgen für Ruhe, Planbarkeit und Struktur. Ich habe den Eindruck, die Zeit bei seiner Mama ist für ihn gefühlt lang und ausreichend genug, so dass er sich auf seine Schwestern wirklich freuen kann. Beim Abholen und hier wieder Ankommen gab es keine Gefühlsausbrüche wie Wut oder Traurigkeit. Stattdessen war er dort genau so glücklich wie hier.
Das Umgangswochenende im Residenzmodell habe ich manchmal als Erholungspause angesehen. Oft war diese Zeit zu kurz, um meinen Tank aufzufüllen. Jetzt spüre ich, dass ich mein Bonuskind vermisse und mich auf ihn freue. Es gibt eine Zeit mit ihm und eine Zeit, in der er nicht da ist. Beides hat seine Berechtigung, beide Zustände erfüllen unterschiedliche Bedürfnisse.
Seine beiden Lebensorte sind miteinander verzahnt, weil durchgehend Kontakt besteht. Er schickt ein Foto vom Gartenpool bei Mama, die Mädchen erzählen ihm, dass bei uns der Rasensprenger lief. Es gibt Raum für Verbindung, für Austausch und auch für eigene Erlebnisse. Bei manchen Aktivitäten gibt es Bedauern über das Verpassen – und auch das ist völlig in Ordnung.
Wenn ich sehe, wie entspannt und gelöst Tom jetzt ist, bin ich zuversichtlich. Mir ist es wichtig, dass sich alle wohl fühlen. Ob das Wechselmodell für alle Zeit Bestand haben wird? Das kann ich noch nicht sagen. Ich versuche, alle Bedürfnisse im Blick zu haben, um darauf reagieren zu können und eine gemeinsame Lösung zu finden, mit der alle zufrieden sind – wie auch immer diese konkret aussehen mag.
Welche Erfahrungen hast Du mit dem Wechselmodell gemacht? Was war schwierig? Was hättest Du Dir anders gewünscht? Schreib es mir in die Kommentare!
Hej,
Danke für diesen Artikel! Ich bin zwar keine Stiefmama, aber mein Sohn hat eine. Seit der Trennung vor ca. 4 Jahren leben wir das Wechselmodell. Bisher im zwei, dann drei Tage Wechselrythmus, jetzt bald wochenweise.
Seit etwa 3 Jahren hat er eine Bonusmama, mit der er ein tolles Verhältnis hat. Und auch ich kann annehmen, was sie für ihn ist.
Ich bin dankbar, dass mein Kind einen weiteren Menschen geschenkt bekommen hat, von dem er nochmal anders auf die Welt zu blicken lernt.
In der Coronazeit war sie da, wenn es nötig war (weil ich einen Arzttermin hatte, zu dem mein Kind unter den Umständen doch nicht mitkann) und wir haben kein herzliches, aber entspanntes Verhältnis.
Und: Ohne sie wäre das Wechselmodell für uns zumindest sehr kompliziert.
Zu Beginn habe ich meinen Sohn donnerstags von der kita abgeholt und abends kam der Papa ihn holen. Das war wirklich schwierig.
Konflikte mit dem Papa meines Kindes kläre ich mit ihm und auch das funktioniert meist gut.
Entscheidungen treffen wir gemeinsam und bedacht.
Wir haben sehr im Blick, dass diese für unser Kind gut, aber auch für die Erwachsenen tragbar sein muss.
Das ist meiner Ansicht nach die Voraussetzung fürs Wechselmodell! Sonst ist das für alle kräftezehrend und der Vorteil des nicht vorhandenen Loyalitätskonfliktes aufgelöst.
Was schon auffällt ist, dass ich in Orgadingen (Arztterminen, Schule wählen, Elterngespräch, backen fürs Schulfest, Kostüm basteln, Vorsorge, Mails beantworten,…) den überblick habe und deutlich mehr übernehme. Das soll sich nun beim wochenweisen Wechsel ändern, damit es besser verteilt ist.
Das liegt aber daran, dass das vor der Trennung mein „Aufgabenbereich“ war und das Kontrolle abgeben oft nicht so leicht ist.
Manches geht schneller, wenn ich es selbst mache..
Insgesamt sind alle mit der Situation sehr zufrieden und für uns war das die beste Wahl. Das Modell spiegelte von Anfang an die Beziehung unseres Kindes zu uns als Eltern und unsere Bedürfnislage wieder, deshalb gab es da nix zu überlegen.
Ich kann und konnte die kinderfreie Zeit (meistens) sehr genießen und glaube, dass durch die begrenzte Zeit diese oft viel intensiver ist. Für den Kram, den das Leben so mit sich bringt habe ich ja Zeit, wenn mein Kind bei seinem Papa ist. Und für Erholung und die Sachen, die mein Kind nicht so gern macht (auf den Flohmarkt gehen zum Beispiel).
Worauf ich mittlerweile mehr achte ist, dass wir einen Alltag und Routinen zusammen haben (wir kochen zusammen, das Kind macht die Waschmaschine an, hilft beim Tisch decken, räumt sein Zimmer mit mir auf, erst Zähne putzen, dann lesen,..).
Es besteht sonst ein bisschen die Gefahr, dass ein ständiges Gefühl von Ausnahme entsteht, in der uns etwas entgeht und mein Kind bestimmte Erfahrungen (mit mir) nicht macht. Trotzdem genießen wir unsere Zeit sehr.
Mal sehen, wie sich das verändert, wenn wir wochenweise wechseln.
Die Idee ist durch Corona entstanden, da mein Sohn da die Woche bei mir und das Wochenende (ab DO) bei seinem Papa war, einfach weil ich zuhause arbeiten konnte und er nicht.
Und das war wirklich toll!
Ich kann alle nur ermutigen sich Gedanken zum Wechselmodell zu machen. Besonders, wenn die anderen nicht passen und/oder die Kinder älter sind. Die Dauer der Zeit bei einem Elternteil sollte sich am Alter orientieren.Eine Empfehlung, die ich mal gelesen hab war: Alter des Kindes=Tage bis zum Wiedersehen mit dem anderen Elternteil. Das hat bei uns immer ganz gut hingehauen, das Problem waren bei uns eher Arbeitszeiten.
Und ich empfehle eine „Übergabe“ nach Kita/ Schule, das hat unserem Sohn sehr geholfen, weil er sich morgens zur kita verabschiedet hat und keinen weiteren Übergang hatte.
Das war lang! Aber vielleicht kann ich den Einen oder die andere ermutigen, das Modell genauer unter die Lupe zu nehmen 🙂
Liebe Grüße
Karina
Liebe Karina,
danke, dass Du Deine Erfahrungen hier teilst. Ich schätze vor allem die Perspektive von Dir als Kindsmutter und freue mich zu lesen, dass es auch aus Deiner Sicht eine Bereicherung ist, wenn sich eine Bonusmama um Dein Kind mit kümmert. Das erfüllt mein Bedürfnis nach Augenhöhe und gegenseitiger Wertschätzung.
Alles Gute für euch weiterhin,
Deine Marita
Liebe Marita, ich bin zufällig auf Deinen Artikel gestoßen. Wie geht es Euch inzwischen?
Viele Grüße Mara
Liebe Mara,
im Patchwork ist ja alles ständig in Bewegung 🙂 Mittlerweile wohnt mein Bonussohn auf eigenen Wunsch wieder bei seiner Mama. Da er mittlerweile schon 14 Jahre alt ist, entscheidet er viel mehr selbstbestimmt, wann er wo sein möchte – oder wir finden gemeinsame Lösungen für alle.
Welches Modell lebst du?
Alles Liebe,
Deine Marita