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Last Updated on 31. März 2022 by Marita

Ein Vorwurf ist ein Schlag ins Gesicht – bäng! Da wird einem etwas hingeknallt, vor die Füße geworfen oder an den Kopf – und dann muss man sehen, wie man damit umgeht. Manche Vorwürfe hört man öfter als andere „Immer kommst du zu spät!“, „Du hörst nie richtig zu!“, „Kannst du nicht mal ruhig sein!“ Je nachdem, ob ich mich davon angesprochen fühle, bleibe ich innerlich gelassen und stehe sozusagen darüber. Ich bin mir dann sicher, dass der andere übertreibt oder es eben nicht der Wahrheit entspricht. Manche Vorwürfe hingegen treffen vielleicht einen wunden Punkt und ich fühle mich ertappt, wenn ich z.B. tatsächlich zu spät gekommen bin. Ein Vorwurf, den ich oft von meinem Mann höre, ist „Du bist nicht kritikfähig!“ Gestern habe ich mich gefragt, warum genau diese Formulierung mich so triggert und in Abwehrhaltung gehen lässt – und hatte eine umwerfende Erkenntnis. Doch dazu später mehr… 

Von Giraffenohren und Wolfsgeheul

Grundsätzlich habe ich immer mehrere Möglichkeiten, wie ich einen Vorwurf auffassen kann. In der Gewaltfreien Kommunikation spricht man vom 4-Ohren-Modell. Die Symboltiere Wolf und Giraffe stehen ja für aggressive, trennende Sprache (Wolf) oder im Gegensatz dazu verbindende, wertschätzende Sprache (Giraffe). Als Landtier mit dem größten Herzen und dem langen Hals behält die Giraffe nicht nur den Überblick und nötige Weitsicht auf die Situation, sondern kann sich auch besonders gut einfühlen. Wenn man nicht bewusst die „Giraffenohren“ aufstellt, fängt der Wolf den Vorwurf auf. Je nach Charakter brüllt der entweder zurück oder zerfleischt sich selbst. Das hört sich dann in etwa so an:

Wolfsohren außen: „Ach was! Und du hast wohl die Weisheit mit Löffeln gefressen!“ 

Wolfsohren innen: „Oh ja, verdammt. Nichts kriege ich richtig hin.“

Die meisten Menschen haben jahrelang die Wolfssprache verinnerlicht, deshalb reagieren wir impulsiv und instinktiv als Wolf. Das Problem ist, dass wir unserem Gegenüber dadurch selbst wieder einen Vorwurf hinknallen und schon sind wir mitten im Streit. In einer emotionalen Situation bewusst empathisch als Giraffe zu reagieren, erfordert viel Übung. Hilfreich ist, sich ein paar Sekunden Zeit zu nehmen, um durchzuatmen und bewusst umzuschalten. Ich sehe das wie die Gelbphase bei der Ampel, in der GFK sagt man dazu auch „Giraffenfallschirm“. Gestern ist es mir gelungen, die Worte „Du bist nicht kritikfähig!“ mit Giraffenohren zu hören. Dann laufe ich die vier Schritte durch, entweder im Selbstausdruck oder empathisch für den anderen. Das kann dann so klingen:

Giraffenohren innen: „Wenn ich die Worte „Du bist nicht kritikfähig!“ höre (Beobachtung), bin ich empört (Gefühl), weil mir ein respektvoller Umgang wichtig ist (Bedürfnis). Kannst du dein Anliegen bitte anders formulieren? (Bitte)“

Giraffenohren außen: „Du sagst „Du bist nicht kritikfähig!“ (Beobachtung). Bist du traurig (Gefühl), weil du dir wünscht, dass dein Anliegen gehört wird (Bedürfnis)?…“

Meine wichtige Erkenntnis

Interessant war, dass es gestern gar nicht um eine bestimmte Situation ging, sondern es seitens meines Mannes eine „generelle Feststellung“ war. Dabei ist „kritikfähig“ eine Beurteilung: der andere (in dem Fall ich) soll sich auf eine bestimmte Art verhalten, tut das aber auch nach Aufforderung/Erklärung nicht. Und als ich versucht habe zu verstehen, was mich an dieser Formulierung so stört, hatte ich eine Erkenntnis:

Die Haltung hinter dieser Äußerung entspricht dem Wunsch nach Gehorsam beim Kind! Der Sprecher steht „oben“ (eben nicht auf Augenhöhe!), der andere unten. Noch dazu wird ihm vorgeworfen, uneinsichtig zu sein, vielleicht sogar dumm. Kein Wunder, dass da sofort eine Abwehrhaltung entsteht! Aus dieser heruntergesetzten Position heraus ist die Kooperationsbereitschaft gleich Null. Kinder (und auch viele Erwachsene) haben nicht gelernt, die Giraffenohren aufzusetzen. Da kann so ein Vorwurf im Laufe der Zeit zu einem Glaubenssatz werden, der das Selbstbild nachhaltig bestimmt. Dabei möchte der Mensch gern zum Wohle anderer beitragen, wenn er es freiwillig tut – und eben nicht aus Zwang. Aus der Position heraus, in die man durch so einen Vorwurf gestellt wird, ist es praktisch nicht möglich, dem anderen entgegenzukommen, ohne seine Würde aufzugeben. In diesem Moment gestern konnte ich so gut nachfühlen, was Kinder wohl empfinden, wenn sie gemaßregelt und erzogen werden. Ich bin unglaublich dankbar für diese Erkenntnis, die sich in mein Menschenbild und meine Grundsätze einfügt.

Wie denkst du darüber? Kannst du die Parallele zwischen Kritikfähigkeit und Gehorsam nachfühlen? Wenn du über deine Gedanken oder das 4-Ohren-Modell sprechen magst, komm in unsere Facebookgruppe.

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Das hat geklappt!

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