fbpx

Last Updated on 16. Januar 2019 by Marita

„Die Elternschule“ heißt eine Dokumentation, die am 11. Oktober im Kino anlief. Der Film zeigt das verhaltenstherapeutische Programm eines Arztes in einer Gelsenkirchener Kinderklinik, in der verhaltensauffällige Kinder behandelt werden. Hier kannst du dir den Trailer angucken und dir ein erstes eigenes Bild davon machen. Darauf folgte ziemlich rasch eine heftige Diskussion. Auf der einen Seite stehen die Psychologen der Gelsenhausener Klinik, in der der Film gedreht wurde, sowie einige Medien (z.B. die Süddeutsche Zeitung). Die Pressestimmen bewertet die hinter den Behandlungsmethoden liegende Erziehung als positiv: „Das Geheimnis guter Erziehung“ (WDR), „Für jeden, der selbst Kinder hat, ist der Film ein Muss.“ (Süddeutsche Zeitung)

Herzensschule statt Elternschule

Auf der anderen Seite meldeten sich viele Bindungsorientierte Blogger zu Wort: u.a. Kinderarzt Herbert Renz-Polster, Familienberatung familylabSara KulkaEinfach Klein, Die Rabenmutti, Wiegenkinder… Der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener hat einen offenen Brief versandt, in dem auf die durchgeführten Praktiken im einzelnen eingegangen wird. In Facebook reihen sich Kommentare an Kommentare. Betroffene melden sich zu Wort. Es gibt Berichte über Diskussionen in Kinos, Demonstrationen und Gegenbewegungen. Sie alle sehen den Film äußerst kritisch und warnen eindrücklich vor diese Art Umgang mit Kindern. Den Film selbst habe ich nicht gesehen. Dennoch habe ich so viel darüber recherchiert, dass ich es angemessen finde, meine Gedanken dazu mitzuteilen.

Herzensschule – Meine Erfahrung

Meinen Stiefsohn Tom kenne ich, seitdem er anderthalb Jahre alt ist. Er hatte keinen leichten Start ins Leben. Kurz nach seiner Geburt musste er sich im Krankenhaus einer schweren Operation unterziehen. Dabei war er für längere Phase alleine. Seine Eltern, also seine Mutter und mein jetziger Mann, haben sich getrennt. Der Vater ist ausgezogen. Als kleines Kind war er damals schon an den Wochenende bei seinem Papa und demnach von seiner Mama getrennt. Durch seine Krankheit ist er stark entwicklungsverzögert, hat Verhaltensauffälligkeiten und ein gestörtes Bindungsverhalten. All das will ich an dieser Stelle weder bewerten noch analysieren. Es ist, wie es ist. Dass im Leben nicht immer alles ideal abläuft, das können wohl viele Eltern bestätigen.

Vor gut einem Jahr ist Tom auf Wunsch seiner Mutter zu uns gezogen. Zu sagen, dass wir eine schwierige Zeit hatten, ist eine glatte Untertreibung. Es war hart und so anstrengend, dass wir mehr als einmal überlegt haben, ob wir tatsächlich die Kraft aufbringen können, weiter durchzuhalten. Ich habe einzelne Situationen in meinen Blogartikeln festgehalten:

Versetzung gefährdet: “Heute” ist der Tag nach dem Wochenende, als Tom bei seiner Mutter war. Das sind immer die schwierigsten Momente. Sonntags schläft er nicht vor 23 Uhr, vorher weint er, schreit, tritt gegen die Wand. Wenn man es schafft, an ihn heranzukommen, verrät er, dass er nicht hier sein will, sondern bei seiner Mama. Er hat Heimweh. Wir sehen es als Fortschritt, dass er das überhaupt so klar formulieren kann.

Beziehung statt Erziehung: Als ich Tom am Abend dennoch vor dem Fernsehen sitzen sehe, muss ich mich entscheiden: Ziehe ich „konsequent“, strikt und stur die Ansage „Heute kein Fernsehen mehr!“ durch oder gehe ich in Beziehung und rede mit ihm?

Frustrationstoleranz: Ich war frustriert. Seit einigen Wochen schon warf Tom mit Schimpfwörtern nur so um sich. Ständig hieß es “du bist scheiße”, “Arschloch”, “ich töte dich” oder noch schlimmeres, was ich hier lieber gar nicht aufschreiben möchte. Jede kleinste Bitte meinerseits wie “Bitte die Schuhe im Flur ausziehen” oder “Häng doch bitte deine Jacke auf” führten sofort zur Explosion.

Bedingungslose Liebe: Was muss der arme Junge vorher gelitten haben! Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie schlimm es sich für ihn angefühlt haben muss, diese Angst, vielleicht gleich weggeschickt zu werden, ausgeschimpft, angeschrien, auf jeden Fall Ärger zu bekommen und nicht mehr liebgehabt zu werden. Das ganze Mir-Doch-Egal-Verhalten, sein Schweigen und Schulterzucken waren doch nur Selbstschutz und der Versuch, eine Mauer aufzubauen, um selbst nicht verletzt zu werden.

Selbstgefühl vs. Selbstvertrauen: Solange das Selbstgefühl aber verkümmert bleibt, hilft einem das langfristig im Leben nicht wirklich weiter, da die Basis fehlt, das Selbstvertrauen substanzlos und daher zerbrechlich bleibt. Ich möchte meinen Kindern vermitteln: Du bist gut, egal was du leistest. Ich habe dich lieb, ohne Bedingungen an dich zu stellen, ohne dass du dir diese Liebe verdienen musst. Ich hoffe, dass mir das gelingt…

Unsere Anekdote mit dem Paket – so geht „unden“: Nachdem diese Bedürfnisse von allen ausgesprochen wurden, machte Tom einen Vorschlag. Wow! Ich fand das wirklich beeindruckend. Vielleicht ist eine Lösung, die alle Bedürfnisse verbindet, nicht immer ganz einfach zu entdecken. Es lohnt sich aber, kreativ zu werden. Denn eines steht fest: Es gibt immer mehrere Strategien zur Bedürfnisbefriedigung und je öfter man es übt, nach Alternativen zur eigenen “Lieblingslösung” zu suchen, desto leichter wird es.

Deshalb möchte ich anderen Eltern und Stiefmüttern Mut machen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es Alternativen zum „konsequenten liebevollen Grenzensetzen“ als angeblichem Wundermittel gibt. Auch bei verhaltensauffälligen Kindern. Auch bei Kindern, die nicht das Glück hatten, von Geburt an bedürfnisorientiert begleitet zu werden. Auch wenn du als Stiefmutter erst eine Beziehung zu deinem Bonuskind aufbauen kannst, wenn es schon anders erzogen wurde als dir lieb ist. Und ich weiß mit absoluter Sicherheit: Es lohnt sich.

<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/qilhEFGnSS4" frameborder="0" allow="autoplay; encrypted-media" allowfullscreen></iframe>

#herzensschule

Gemeinsam mit anderen Bindungsorientierten Elternbloggern habe ich mich der Initiative #herzensschule von Susanne von Geborgen Wachsen angeschlossen. Mit einem Film bestehend aus einzelnen kurzen Statements wollen wir ein Gegengewicht setzen. Dabei geht es nicht um „Die Elternschule“ selbst, sondern um die Frage, was bindungsorientierte und gewaltfreie Erziehung eigentlich bedeuten. Danke an geborgen wachsenRunzelfüßchenFamilieberlinRabenmuttiBerlin Mitte MomWickelakrack, Glucke und so und viele mehr.

<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/hBIM1cTlz2A" frameborder="0" allow="autoplay; encrypted-media" allowfullscreen></iframe>

Wenn du die Open Petition „Ausstrahlungsende des Films Elternschule“ unterschreiben willst, kannst du das hier tun.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Abgemeldet, wenn die Kinder kommen?

 

25 Ideen für Patchwork-Paare, die auch am Kinder-Wochenende funktionieren.

 

Denn: Paarzeit ist kein To-Do - es ist ein Must-Have!

Das hat geklappt!

Pin It on Pinterest

Share This