Patchwork wäre nicht halb so schwer, wenn es die Ex nicht gäbe! Oder? Ich meine, Du bist unvoreingenommen in die Beziehung gestartet. Völlig offen hast du dich auf die Kinder eingelassen und immer dein Bestes gegeben. Doch egal, wie sehr du dich bemühst – die Ex mag dich einfach nicht. Du sie im Übrigen auch nicht! Der Gedanke, warum er ausgerechnet mit dieser Frau ein Kind hat, ploppt immer mal wieder in dir auf – du hast deine Gefühle aber gut im Griff. Du möchtest gern, dass es zwischen euch entspannter wird und bist es leid zu warten, dass die Dinge von selbst besser werden.
Eine Möglichkeit ist, ihr einen Brief zu schreiben. Doch was schreibst du da am besten rein – und was auf gar keinen Fall? Wie kannst du sichergehen, dass deine Worte richtig verstanden werden? Was kannst du tun, damit es hinterher nicht noch schlimmer ist? Darum geht es in diesem Artikel – mit ganz konkreten Formulierungen.
Warum du der Ex einen Brief schreiben solltest
Heutzutage sind E-Mails und Textnachrichten die gängigste Form der Kommunikation. Da ist ein handgeschriebener Brief direkt etwas Besonderes. Die Wahl des Papiers, die Handschrift und andere persönliche Details machen jeden Brief einzigartig. Das gibt deiner Kommunikation automatisch eine persönliche Note und kann Wertschätzung und Respekt vermitteln. Die Mühe, die du in das Schreiben eines Briefes steckst, zeigt, dass du dir Zeit genommen hast, um darüber nachzudenken, was und wie du es ausdrücken möchtest. Gerade in Konfliktsituationen (oder aus der eisigen Atmosphäre des sich gegenseitig Ignorierens heraus), zeigt ein Brief deinen Wunsch nach einer gemeinsamen Lösung.
Auch für die Ex bietet ein Brief einige Vorteile. Sie kann deinen Text in Ruhe und ohne Ablenkungen lesen, und zwar dann, wenn es ihr passt. Anders als von einer Textnachricht, einem Anruf oder gar dem spontanen Kontakt bei der Übergabe, wird sie nicht überrumpelt. Außerdem kann sie ohne Zeitdruck überlegen, ob und wie sie darauf reagieren möchte.
Dein Brief an die Ex – Tipps zum Schreiben
Klar, dass du einen solchen Brief nicht zwischen Tür und Angel schreibst. Beim Verfassen eines Briefes nimmst du dir Zeit, deine Gedanken zu ordnen und deine Botschaft sorgfältig zu formulieren. Worauf kommt es dabei an?
Das Wichtigste in deinem Brief sind klare Formulierungen. Sonst entstehen bloß weitere Missverständnisse und die Ex geht beim Lesen sofort in den Abwehrmodus. Konzentrier dich darauf, deine Gefühle und Perspektiven auf eine respektvolle Weise auszudrücken und vermeide anklagende oder aggressive Töne (auch Ironie oder Humor ist an dieser Stelle schwierig, weil er falsch verstanden werden kann).
Ehrlich, aber respektvoll
„Jetzt sag ich dir mal ehrlich, was ich von dir halte!“ – das ist keine gute Idee!
Statt eine Abrechnung mit der Ex zu machen und ihr ihre Fehler unter die Nase zu reiben, ist es ratsam, dass du auf dich selbst schaust und von dir sprichst. Wichtig ist dabei, eine Möglichkeit zu finden, Deine Gefühle und Bedürfnisse zwar offen, aber auf eine beziehungsförderliche Art auszudrücken. Sprache ist ein mächtiges Instrument, denn unsere Formulierungen entscheiden darüber, ob die Verbindung zwischen uns und unserem Gegenüber enger wird oder wir uns voneinander entfernen. Worte können also Fenster sein oder Mauern.
Beim Sprechen ist weniger entscheidend was wir aussenden als vielmehr was beim anderen ankommt. Zwar können wir für die Reaktion des anderen nicht die Verantwortung übernehmen da wir diese nicht kontrollieren können, wir können uns aber selbst dafür sensibilisieren dass das was wir sagen nicht als Vorwurf oder Forderung verstanden wird. Denn Druck erzeugt immer Gegendruck und das Gespräch wird dadurch erschwert wenn nicht gar beendet.
Ein hilfreiches Werkzeug dafür sind die sogenannten Ich-Botschaften. Doch Achtung: nicht jeder Satz, der mit “ich” anfängt, ist auch eine Ich-Botschaft. “Ich will, dass du… “ oder “ich finde dich… “ sind beim anderen angesiedelt und nicht bei uns selbst!
Ich-Botschaften sind ein guter Weg, um sich in Problemsituationen offen und ehrlich auszudrücken, ohne dem anderen Vorwürfe zu machen.
Bitte NICHT:
- „Du willst gar nicht verstehen, wie sehr mich das verletzt hat!“
- „Ich sage dir jetzt mal meine Meinung, auch wenn dir das nicht gefallen wird.“
- „Ich finde es echt unmöglich, dass Du BK immer wieder gegen mich aufhetzt.“
Besser so:
- „Ich möchte dir sagen, wie ich mich in dieser neuen Konstellation fühle.“
- „Ich bin unsicher, wenn wir uns bei der Übergabe sehen, ob ich etwas zu dir sagen soll oder nicht.“
- „Es liegt mir am Herzen, eine gute Beziehung zu BK aufzubauen. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass du seine Mama bist und ich dich in keiner Weise ersetzen möchte.“
Insgesamt solltest du dich auf einige wesentliche Gefühle beschränken (z.B. unsicher oder irritiert). Du musst kein Seelenstriptease hinlegen, sondern dich einfach als menschliches Wesen zeigen.
Empathie zeigen
Empathie ist die Fähigkeit, anderen Menschen in ihren Motiven, ihren Gefühlen, ihren Fähigkeiten zu verstehen. Empathie ist nicht Mitleid und auch nicht Sympathie. Ich kann jedem Menschen Empathie entgegenbringen, auch wenn er mir nicht sympathisch ist.
Empathie bedeutet, dass Du einen grundlegenden Perspektivwechsel durchführst. Nämlich dass Du davon ausgehst, dass das, was Du denkst, wahrnimmst und fühlst, nicht unbedingt die generelle Wahrheit ist. Empathisch zu sein heißt, dass du verschiedene Sichtweisen (deine und die der Mutter) einander gegenüber stellst, ohne zu sagen, eine ist richtig und eine ist falsch.
Das ist der zweite wesentliche Aspekt des Briefes. Dass du dich für die Sichtweise der Mutter öffnest und ihr das auch deutlich machst.
Zeig in diesem Sinne Empathie für die Perspektive der Ex. Ihr könnt und dürft unterschiedliche Meinungen und Bewertungen der Situation haben. Mach dein Verständnis für ihre Sichtweise klar. Zeig ihr, dass du bereit bist, die Sichtweise der Ex-Partnerin zu verstehen, und betone dein Verständnis für ihre Position.
Bitte NICHT:
- „Du wirst wohl nie verstehen, dass es mir ernst ist, oder?“
- „Das Problem liegt bei dir. Du musst akzeptieren, dass sich die Dinge geändert haben.“
Und auch keine Sätze, die oberflächlich empathisch klingen, aber eine versteckte Unaufrichtigkeit oder negative Konnotation enthalten:
- „Ich kann verstehen, dass du dich in dieser Situation unwohl fühlst, aber das liegt wohl eher an deiner eigenen Wahrnehmung.“
- „Es tut mir leid, wenn du das so empfindest, aber ich habe nur versucht, das Beste für alle Beteiligten zu tun.“
Besser so:
- „Ich kann mir vorstellen, dass meine Anwesenheit im Leben deines Kindes eine Herausforderung darstellt.“
- „Ich verstehe, dass unsere Ansichten auseinandergehen können, und es ist mir wichtig zu wissen, wie du die Situation siehst.“
- „Vielleicht bist du sauer, weil du
Wichtig ist auch, dass du nicht in die Therapeutenrolle rutscht. Du sollst sie nicht psychologisch analysieren, sondern einfach zeigen, dass du versuchst zu verstehen, wie sie sich fühlt. Dafür kann es auch hilfreich sein, Fragen zu stellen oder Gefühle zu vermuten („Als wir uns beim Schulfest gesehen hast, warst du vermutlich ziemlich überrascht“).
Lösungsorientiert sein
Dein Brief sollte keine Abrechnung mit der Vergangenheit sein. Zu klären, was bisher falsch gelaufen ist oder gar den Finger darauf legen, wer „Schuld“ ist, bringt euch kein Stück weiter!
Leg stattdessen den Fokus auf die Zukunft.
Dafür sollte der Brief nicht nur Probleme ins Visier nehmen, sondern auch Wege zur Lösung aufzeigen. Was wünschst du dir – von nun an? Wie soll es ab jetzt sein? Du kannst gern Vorschläge machen, wie beide Seiten gemeinsam an der Lösung des Konflikts arbeiten können.
Dein Wunsch nach guten Lösungen und einer konstruktiven Kommunikation ist die Voraussetzung dafür, dass sie überhaupt weiterliest und nicht währenddessen auf 180 geht.
Bitte NICHT:
- „Ich weiß ja, dass es dir schon während eurer Beziehung schwer gefallen ist, Vertrauen zu haben.“
- „Wenn du nicht akzeptieren kannst, dass ich hier bin, dann ist das dein Problem.“
- „Es liegt an dir, das zu akzeptieren. Ich werde mich nicht ändern, um dich glücklich zu machen.“
Besser so:
- „Ich würde mir wünschen, dass wir uns zusammensetzen und gemeinsam nach Wegen suchen, wie wir dieses Missverständnis klären können.“
- „Können wir darüber sprechen, wie wir in Zukunft besser miteinander umgehen können?
- „Ich bin offen für deine Vorschläge, wie ich dazu beitragen kann, eine harmonische Atmosphäre für BK zu schaffen.“
Du kannst auch zunächst einen kleinen Schritt machen und einfach um ein Kennenlernen bei einer Tasse Kaffee bitten.
- „Ich würde mich freuen, wenn wir uns einfach mal auf einen Kaffee treffen.“
Es ist überhaupt noch nicht absehbar, wie sich eure Beziehung und die gesamte Patchworkdynamik in den nächsten Jahren entwickeln wird. Nimm das ganze Schritt für Schritt.
Die Reaktion der Ex – und wie du damit umgehen kannst
Natürlich wäre es wünschenswert, wenn sie den Brief aufmerksam liest und versucht, deine Perspektive zu verstehen. Idealerweise nimmt sie sich Zeit, über die im Brief präsentierten Gedanken nachzudenken. Selbst wenn sie über eine Formulierung stolpert oder sich persönlich angegriffen fühlen sollte, reagiert sie respektroll, ohne sofort in die Verteidigung zu gehen. Sie formuliert eine konstruktive Antwort und ist offen dafür, gemeinsame Lösung zu finden. Ähm ja, oder halt auch eben nicht!
Egal, wie achtsam und wertschätzend du beim Schreiben bist, du hast nicht in der Hand, wie deine Worte bei ihr ankommen!
Sie ist offen und positiv
Wenn sie in irgendeiner (!) Art und Weise darauf reagiert – ist das super! Denn jetzt habt ihr die Möglichkeit, miteinander in den Austausch zu gehen. Sieh den Brief als einen Schritt in Richtung Kennenlernen und nicht als alleinige Lösung für alle Konflikte.
Ich erinnere mich an eines der allerersten Umgangswochenenden. Ich kam beim Abholen meines Bonuskindes kurz mit rein und saß dann ziemlich bedröppelt in ihrer Küche. Die Ex meines Partners bot mir einen Kaffee an. Wir haben uns kurz begrüßt und etwas höflichen Small Talk gemacht. Es war okay, nicht mehr und nicht weniger. Ein Brief kann ein Türöffner sein, eine entspannte Beziehung baut sich nach und nach auf.
Sie reagiert gar nicht oder ablehnend
Fakt ist, es gibt eine Menge Missverständnisse oder ungeklärter Dinge zwischen euch. Vielleicht sind auch noch Kleinigkeiten aus der Anfangszeit präsent: Sie (oder du?) hat nicht gegrüßt. Es ist eine Bemerkung gefallen, die noch zwischen euch steht. Oder es hat einfach etwas mit der Tatsache zu tun, dass da eine andere Frau existiert! Auch wenn die Erfahrungen nicht mit genau dieser Person gemacht wurden, haben sie einen Einfluss. Alte Verletzungen aus der Beziehung fangen wieder an zu schmerzen.
Wichtig ist, dass du als Absender mit beiden Antworten leben kannst. Um eine Freiwilligkeit zu gewährleisten, kannst du einerseits von deinem Wunsch nach einem Treffen sprechen und andererseits auch schreiben, dass du auch verstehen kannst, wenn sie zum jetzigen Zeitpunkt kein Treffen möchte.
Sieh es als offenes Angebot und sei nicht enttäuscht, wenn (zunächst) keine Antwort kommt. Mach ihr leicht zu antworten, indem du deine Telefonnummer angibst und auch sagst, dass sie dir eine Text- oder Sprachnachricht schicken kann.
Ein Brief an die Ex – ein kleiner Schritt?
Wie heißt es so schön: „Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit.“
In dem Fall ein großer Schritt für dich und ein noch größerer für eure Patchworkfamilie.
Wie auch immer, es lohnt sich, überhaupt den nächsten Schritt zu machen.
- Gerade wenn du unzufrieden damit bist, wie die Beziehung zur Ex jetzt gerade ist.
- Gerade wenn du das Gefühl hast, dein Partner und sie eskalieren jedes Mal, wenn sie aufeinander treffen.
- Gerade wenn dir die Wochenende mit dem BK schwer fallen, weil du das Gefühl hast, da ist etwas ungeklärtes mit der Mutter, was eurer Beziehung im Weg steht.
Bleib nicht untätig und hoffe darauf, dass ich alles von alleine einrenkt. Meistens wird es im Laufe der Zeit immer schwerer aufeinander zuzugehen.
Wenn dir der Gedanke schon lange im Kopf herumgeistert – fass dir ein Herz und schreib ihr! Du schaffst das!
Den Brief schreibst du auch für dich selbst!
- Du machst dir bewusst, was du genau sagen willst – und kommst von Vorwürfen auf Ich-Aussagen.
- Du versuchst, dich in sie hineinzuversetzen – und kommst damit in eine empathische offene Haltung.
- Du gehst einen konkreten Schritt – und kommst damit raus aus der Machtlosigkeit in die Handlungsfähigkeit.
Tipp: Bevor du den Brief abschickst, mach ein Foto davon (oder heb dir eine Abschrift davon auf). So kannst du immer nochmal nachlesen, was du wie formuliert hast, falls es doch zu Missverständnissen kommen sollte, und dich darauf beziehen.
Und wenn du unsicher bist, meld dich bei mir. Gemeinsam kriegen wir das hin.
Liebe Marita,
vielen Dank für den hilfreichen Beitrag. Ich bin noch ganz neu in der Thematik, da die Beziehung zu „meinem“ Mann mit Kind(ern) noch ganz frisch ist. Ich möchte die Beziehung zu der Mutter seiner Kinder möglichst unbelastet starten und überlege, ob ich ihr ein Treffen vorschlage, bevor ich die Kinder kennen lerne. Mein Gedanke dabei ist, dass sie sonst vielleicht gleich ein schlechtes Gefühl dabei hat, dass eine Fremde in das Leben ihrer Kinder eintritt. Was meinst du, ist das übertrieben früh?
Ich würde mich sehr über deine Einschätzung freuen.
Liebe Sophie, das finde ich überhaupt nicht übertrieben, im Gegenteil! Du versetzt dich in die Lage der Mutter, wenn du dich fragst, ob sie nicht ein schlechtes Gefühl hat, dass eine Fremde Zeit mit ihren Kindern verbringt und möchtest darauf reagieren. Ich empfinde das als empathisch und achtsam und würde mich darüber freuen, wenn du auf dieser Basis ein Angebot zum (kurzen) Kennenlernen machst. Es kann allerdings sein, dass die Mutter anders tickt und – aus welchen Gründen auch immer – dich nicht kennenlernen möchte. Falls du also eine negative Antwort bekommst, nimm es nicht persönlich! Vielleicht ist sie noch nicht so weit oder hat selbst Angst davor. Versuchen würde ich es auf jeden Fall! Ich drücke dir die Daumen. Liebe Grüße, Deine Marita