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Last Updated on 5. November 2020 by Marita

Die Problematik der Übergänge ist mir sehr vertraut: Am Abend des Tages, wenn Tom von seiner Mama zurück kommt, nehme ich mir grundsätzlich nichts vor. Ich weiß nämlich nicht, wie der Nachmittag verläuft. Oder wie die Stimmung am Abend wird. Spätestens direkt vor dem Einschlafen ist es oft nochmal schwierig. Dann bemerkt Tom, dass er seine Mama vermisst. Mittlerweile kann er das wenigstens in Worte fassen. Meistens wird er aber erstmal wütend, tritt gegen die Wand oder schimpft. Alles – auch die Schwestern, der Papa und ich – ist dann blöd, unfair, ungerecht und gemein. Manchmal braucht er mehrere Tage, bis er wieder komplett angekommen ist und sich wohl fühlt.

Warum fällt Kindern der Übergang so schwer? Was steckt dahinter? Wie können wir Erwachsene ihnen helfen? Und was kannst Du für Dich machen, damit für Dich selbst leichter wird? Das Thema „Situationswechsel“ wird in der Blogparade der Leuchtturm-Eltern von verschiedenen Seiten beleuchtet. Die ganze Kindheit ist ja eine Abfolge von Entwicklungen: vom Baby zum Kindergarten- und dann Schulkind, vom Stillen an den Esstisch, vom Spielplatz nach Hause oder eben von Mama zu Papa und umgekehrt. In diesem Artikel geht es um die Übergänge von Patchwork-Kindern.

Übergänge – Herausforderung oder Überforderung?

In der Psychologie zählen die vielen kleinen Umbruchsituationen am Tag („Mikrotransitionen“) und die strukturellen Veränderungen von Lebensläufen zu den Übergangs- oder Transitionsprozessen.

„Als Transition (lat. Transitus = Übergang, Durchgang) werden bedeutende Übergänge im Leben eines Menschen beschrieben, die bewältigt werden müssen. Innerhalb dieser Phasen finden in relativ kurzer Zeit wichtige Veränderungen statt. Die Kinder sind unterschiedlichen Belastungen unterworfen, da sie sich einer neuen Situation anpassen müssen. Als kritisches Lebensereignis kann sich ein Übergang positiv oder negativ auf die Entwicklung eines Kindes auswirken. Gelingt die Anpassung an die neue Lebenssituation nicht, entsteht Stress. Wie Kinder einen Übergang meistern, hängt u.a. von ihrer psychischen Widerstandsfähigkeit ab (Resilienz).“

Vollmer, K. (2012): Transition. In: Vollmer, K.: Fachwörterbuch für Erzieherinnen und pädagogische Fachkräfte. Freiburg: Verlag Herder.

Alle Kinder erleben diese Veränderungen, zum Beispiel beim Eintritt in den Kindergarten oder die Schule. Auch der Wechsel auf eine weiterführende Schule und der Übergang in das Jugendlichenalter sind wesentliche Transitionen. Kinder im Patchwork haben zusätzliche Umbrüche erlebt: die Trennung oder Scheidung der Eltern, neue Partner an der Seite von Mama oder Papa, evtl. die Geburt von eines (Halb)Geschwisterchens. Dazu kommen die vielen Mikrotransitionen im Laufe des Tages von einer Handlung zur nächsten wie das Aufbrechen zur Schule, den Fernseher auszuschalten oder sich von Freunden zu verabschieden.

Übergänge in die Schule kennen alle Kinder (Photo by Arthur Krijgsman from Pexels)

All diese Situationen sind für Kinder herausfordernd. Transitionsforscher sprechen auch von „verdichteten Entwicklungsanforderungen“ und meinen damit, dass die Kinder in einem gedrängten Zeitrahmen mit viel Neuem konfrontiert sind, auf das sie reagieren müssen, und zwar mit intensiven und beschleunigten Lernprozessen. Wie gut Kinder damit umgehen können, ist abhängig von den ihnen zur Verfügung stehenden individuellen, familiären und Umgebungsressourcen.

Übergänge anhand von Bedürfnissen erleichtern

In Übergangssituationen kommen einige Bedürfnisse leicht in den Mangel. Da Menschen immer nach der Erfüllung ihrer Bedürfnisse streben, rebellieren sie dann gegen den Wechsel, einfach um sich zu schützen. Das kann sich als innere Abgrenzug zeigen oder lautstark im Außen (z.B. „Wutanfall“ bei kleinen Kindern oder Schimpfworte bei älteren) . Wenn die Bedürfnisse aber gesehen werden, kann auch während der Transition darauf geachtet werden, diese zu erfüllen oder zumindest im Blick zu behalten. Das sorgt für Ruhe, Vertrauen und Sicherheit – und dafür, dass die Übergänge leichter werden.

Übergänge klappen am besten liebevoll und geduldig begleitet (Photo by Tatiana Syrikova from Pexels)

Nicht alle Bedürfnisse müssen bei allen Kindern oder in allen Familien zutreffen. Generell den Blick darauf zu legen, dass hinter bestimmten Verhaltensweisen ein Mangel steckt, ist aber nie verkehrt. Vielleicht findest Du noch andere Bedürfnisse, die für Dein Bonuskind eine Rolle spielen? Dann schreib sie mir unten in den Kommentar.

„Ich will aber nicht!“ – Das Bedürfnis nach Selbstbestimmung

Kinder werden bis zu einem gewissen Alter nicht gefragt, bei welchem Elternteil sie leben wollen und wie sie sich den Kontakt zum anderen Elternteil wünschen. Das selbst entscheiden zu dürfen bzw. zu müssen, wäre zumindest für einige auch sicherlich eine Überforderung. Dennoch sollte den Erwachsenen im Patchwork bewusst sein, dass sie in Sachen Umgang über das Kind bestimmen (hier findest Du mehr zu Adultismus – Macht und Privilegien von Erwachsenen)

Wenn es dann dagegen in Widerstand geht, ist das einfach eine natürliche menscliche Reaktion – kein „Theater“, Terror oder Manipulieren! Das anzuerkennen, löst den inneren Druck. „Du findest es grad doof, dass Du nicht bei Deiner Mama sein kannst.“ oder “ Du würdest gern immer beide Eltern um Dich haben.“ Diese Sätze holen das Kind viel besser in seinem Gefühl ab als es davon überzeugen zu wollen, dass es bei Papa bestimmt auch eine tolle Zeit hat und seine Geschwister es vermisst haben.

Kinder komplett frei entscheiden zu lassen, wann sie bei es welchem Elternteil sein möchten, ist in meinen Augen nicht die ideale Strategie für alle. Für manche Familien können sich aber Konflikte und Spannungen auflösen, wenn die Umgangsregelung von Zeit zu Zeit besprochen und überdacht wird. Wir sind gerade vom Residenzmodell aufs Wechselmodell umgestiegen. Auch vorher haben wir manchmal Wochenenden getauscht oder zusätzliche Zeiten bei der Kindsmutter eingebaut. Da erfüllt sich für mich nämlich das Bedürfnis nach Flexibilität. Auf die Wünsche des Kindes einzugehen, kann eine gute Lösung sein, aber es gibt eben noch andere Bedürfnisse, wie z.B. nach Struktur.

Umgänge sichtbar zu planen erleichtert auch die Übergänge
Umgänge sichtbar zu planen erleichtert auch die Übergänge (Photo by Estée Janssens on Unsplash)

„Wissen, was kommt“ – Das Bedürfnis nach Struktur und Planbarkeit

In den meisten Patchworkfamilien sind die Umgangszeiten klar geregelt, wenn nicht sogar gerichtlich festgelegt. Das erfüllt das Bedürfnis nach Struktur und Planbarkeit. Für Kinder sind scheinbare Kleinigkeiten in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Je nach Alter kann ein Kalender helfen oder am Vorabend schon darauf hinzuweisen, dass morgen der Wechsel ansteht. Beim Zurückkommen hilft ein Ritual, z.B. das immer gleiche Abendessen an dem Tag der Rückkehr. Gibt es Unternehmungen, die fest mit einem Elternteil verbunden sind? Papa bringt mich zum Fußballtraining, Mama holt mich freitags von der Schule ab. Auch Rituale geben Halt. Das kann der Filmabend mit Popcorn sein oder die Art, wie nur der Papa das Kinds ins Bett bringt.

Es ist nicht notwendig, dass überall dieselben Regeln gelten. Kinder können gut damit umgehen, wenn an unterschiedlichen Orten andere Dinge erlaubt oder verboten sind. Bei Mama ist springen auf dem Sofa kein Problem, bei Papa gibt es mehr Medienzeit? Daran ist grundsätzlich nichts auszusetzen. Es sollte nur vermieden werden, in einen Wettstreit zu gehen und sich gegeneinander „ausspielen“ zu lassen. Stattdessen können die unterschiedlichen Vorteile nebeneinander stehen gelassen werden. Unter Umständen dauert es beim Wechsel einige Zeit, bis sich das Kind an die gängigen Regeln wieder erinnert. Auch das passiert nicht aus Boshaftigkeit, sondern sollte liebevoll begleitet werden.

„Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl“ – Das Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit

Sicher gebundene Kinder haben in ihrer frühen Kindheit die Erfahrung gemacht, dass sie sich auf ihre Bezugsperson verlassen können. Dieses Ur-Vertrauen trägt Menschen durch ihr Leben und lässt sie resilient mit schwierigen Situationen umgehen. Wenn die Bindung unsicher ist, wird das meistens durch besonders fürsorgliches oder strafendes Verhalten sichtbar. Hier braucht es besonders viel Geduld und Liebe, um Kinder aufzufangen und zu begleiten.

Übergänge fallen mit Teddy Bär leichter
Treuer Begleiter in allen Lebenslagen (Photo by Susanne Jutzeler from Pexels)

Ein Kuscheltier, das von einem Haushalt zum anderen mitgenommen wird, kann die Übergänge erleichtern. Dabei ist es völlig in Ordnung, wenn das auch im Teenie-Alter noch passiert.  

Es ist ein sehr gutes Zeichen, wenn jemand ein Kuscheltier hat. Es zeigt, dass das Kind einen Partner, einen Tröster gefunden hat. Es spricht außerdem für Reife.Denn ein Kuscheltier zeigt, dass sich das Kind in der Welt sicher fühlt. Ein Kind muss Sicherheit erfahren haben, um sich einen Lieblingsteddy herauszusuchen; ein Kind, das vernachlässigt wird und sich hilflos fühlt, entwickelt diese Fähigkeit nicht.

Kinderpsychologin Busch

Wenn Kinder der Übergang schwer fällt, heißt das übrigens nicht automatisch, dass es dem Kind beim anderen Elternteil schlecht ergeht oder im umgekehrten Fall, dass es ihm bei Dir/euch nicht gefällt! Es ist einfach eine schwierige Situation, in der Kinder über einen langen Zeitraum, vielleicht sogar mehrere Jahre verständnisvoll begleiten werden müssen.

Übergänge als Stiefmutter begleiten

Wie geht es Dir, wenn Du diesen letzten Satz liest? Kinder verständnisvoll jahrelang begleiten?! Und was ist mit Dir?

Tatsächlich ist es genauso wichtig, dass Du für Dich sorgst. Im Gegensatz zum Kind bist Du als Erwachsene kompetent und selbständig genug, für Dich selbst und Deine Gefühle die Verantwortung zu übernehmen. Diese Aufgabe liegt immer in der Hand der Erwachsenen, ein Kind wäre völlig damit überfordert.

Vorbereitung ist die halbe Miete

Du weißt aus Erfahrung, dass es anstrengend wird, wenn Dein Bonuskind zurückkommt. Natürlich kannst Du hoffen, dass dieses Mal alles anders wird und vielleicht tritt das ja sogar ein. Aber steuern kannst Du das Verhalten und die Laune der anderen eben nicht. Du kannst nur schauen, dass Dein eigener Tank gut gefüllt ist. Deshalb ist es ratsam, Dich vorher darauf einzustellen. Was kannst Du im Vorfeld für Dich machen? Spazierengehen, ein Bad nehmen, mit einer Freundin telefonieren? Alles, was Dich beruhigt und Deinen Akku auflädt, ist richtig.

Sorge rechtzeitig für Dich. Auch das gehört zu gelingenden Übergängen
Sorge rechtzeitig für Dich. Auch das gehört zu gelingenden Übergängen (Photo by Andrea Piacquadio from Pexels)

Plan B für Dich

Auch während des Umgangs, vor allem am Ankunftstag, ist es gut, einen Alternativplan zu haben. Was kannst Du tun, wenn Du merkst, dass es gleich eskaliert oder Deine Energie aufgebraucht ist? Besprich vorher, ob Du im Zweifelsfall woanders übernachten kannst. Das ist kein Scheitern, sondern im Sinne der Selbstfürsorge absolut in Ordnung. Das muss ja kein Dauerzustand werden. Vielleicht hilft es Dir schon, einfach die Option zu haben, Dich zurückziehen zu können, ohne dass das von Deinem Partner (oder Dir selbst) kritisiert wird.

Empathie und Verständnis

Bonusmama zu sein ist schwer. In Patch-work steckt nicht umsonst das Wort Arbeit drin. Der Übergang von einer single Frau zu einer Stiefmutter und damit Bezugsperson für ein fremdes Kind ist auch für Dich keine Kleinigkeit. Du hast Dir durch Deine eigene Erfahrung Resilienz und Kompetenz angeeignet. Trotzdem ist es manchmal eine gefühlt übermenschliche Aufgabe. Ich spreche da aus eigener Erfahrung… Es ist okay, sich Hilfe zu holen. Es ist okay, zu verzweifeln und auch mal zu weinen. Du brauchst jetzt niemanden, der Dir gute Ratschläge gibt oder Durchhalteparolen drischt, sondern jemanden, der zuhört.

Komm dafür gern in meine Facebook-Gruppe „Bonusmama werden – Patchwork auf Augenhöhe von Anfang an„. Gemeinsam gestalten wir Deinen Übergang in ein glückliches Patchworkfamlienleben.

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