„Ich will einfach, dass sich alle wohlfühlen.“ Das klingt harmlos, oder?
Selbstlos zu sein gilt als Tugend – und ist für andere oft ziemlich bequem. Doch wenn du dich dabei selbst vergisst, kann das auf Dauer ganz schön ungesund sein. Wenn „Ja, gerne!“ deine Standardantwort auf alle Anfragen ist und du dich nicht traust, Nein zu sagen und deine eigenen Bedürfnisse zu wahren, neigst du zum sogenannten „People Pleasing“.
Warum das so ist und wie du wieder mehr bei dir ankommst, liest du in diesem Artikel.
Was ist People Pleasing überhaupt?
Vielleicht kennst du das: Du bemühst dich um Harmonie, willst für alle da sein, möchtest Konflikte vermeiden und machst dich krumm, damit es „funktioniert“. Gerade in Patchworkfamilien scheint das besonders wichtig. Du willst nicht anecken, möchtest gemocht und akzeptiert werden – vom Partner, von den Kindern, von der Ex. Und so gibst du mehr, als dir eigentlich guttut.
People Pleasing bedeutet: Du richtest dein Verhalten so aus, dass andere dich mögen, dich gut finden, dich nicht ablehnen. Du sagst ja, obwohl du nein meinst. Du machst mit, obwohl du keine Lust hast. Du schluckst Ärger herunter, obwohl du verletzt bist. Dahinter steckt oft die Angst, sonst nicht dazuzugehören oder nicht geliebt zu werden.

People Pleasing ist keine Charaktereigenschaft, sondern eher ein erlerntes Verhaltensmuster, oft geprägt durch Kindheitserfahrungen, Beziehungserfahrungen oder gesellschaftliche Erwartungen. Es handelt sich um eine unbewusste Strategie zur Konfliktvermeidung und zur Sicherung von Zugehörigkeit und Anerkennung – also eine ungesunde Angewohnheit, die einst sinnvoll oder überlebenswichtig war, aber heute oft mehr schadet als hilft.
Psychologisch gesehen ist es eher ein bewältigungsorientiertes Muster (Coping-Strategie), kein Persönlichkeitsmerkmal. Es ist also veränderbar – was eine echt gute Nachricht ist! Betroffene haben nämlich oft den Gedanken, „so bin ich halt“. Das stimmt so nicht: Man hat es gelernt, und man kann es auch wieder verlernen.
People Pleasing ist nicht dasselbe wie echte Fürsorge
Vielleicht denkst du: „Aber ich will doch einfach nur, dass es allen gut geht – ist das nicht was Gutes?“ Ja, Mitgefühl und Rücksicht sind wichtig. Aber beim People Pleasing geschieht Fürsorge oft auf eigene Kosten – und aus Angst, nicht zu genügen, nicht gemocht oder abgelehnt zu werden. Diese innere Unfreiheit ist der Knackpunkt.
Manche versuchen sich dann über das andere Extrem zu retten: radikale Abgrenzung. Aber auch das ist nicht immer hilfreich. In diesem Artikel habe ich schon beschrieben, warum „Abgrenzen dich nicht glücklich macht“ – wenn es nicht aus echter Selbstverbindung geschieht, sondern nur aus einem Schutzreflex heraus. Statt Mauern zu bauen, geht es darum, bei sich zu bleiben – und trotzdem offen zu bleiben für Verbindung.
People Pleasing und Abgrenzung können zwei Seiten derselben Medaille sein: beide versuchen, mit Überforderung umzugehen – aber keine von beiden bringt dich wirklich in Kontakt mit deinen echten Bedürfnissen.

Warum ist Patchwork ein perfekter Nährboden für People Pleasing?
Dass Patchworkfamilien eine höchst komplexe Angelegenheit sind, muss ich dir ja nicht erzählen.
Es sind einfach sehr viele Menschen mit auf der Bildfläche: Ex-Partner und -Partnerinnen, Bonuskinder, gemeinsame Kinder, der neue Partner der Ex, Schwiegermütter – und alle bringen ihre eigene Geschichte, Bedürfnisse und Erwartungen mit.
Und dann sind da noch die Rollenkonflikte: Bin ich Partnerin? Erziehungsberechtigte? Freundin? Gast? Außenstehende? Die Erwartungen – von innen und außen – sind oft diffus. Das macht es schwer, bei sich selbst zu bleiben und eine eigene innere Klarheit zu entwickeln.
Für uns Stiefmutter schwingt oft die Angst mit, „die Böse“ oder „der Störenfried“ zu sein, einfach weil du neu dazugekommen sind. Irgendjemand muss schließlich als Sündenbock herhalten. Bloß nichts falsch machen, lautet oft die Devise. Wenn ich zu allen lieb und nett bin, kann keiner was gegen mich sagen. Um des lieben Friedens willen werden dann die eigenen Bedürfnisse ignoriert. Das erzeugt jede Menge Druck – und funktioniert leider auch gar nicht.
Wie äußert sich People Pleasing im Patchwork konkret?
- Du sagst zu allem Ja, obwohl du Nein meinst.
- Deine eigenen Grenzen verschiebst du („Ist doch nicht so schlimm…“).
- Du berücksichtigst übermäßig die Bedürfnisse der Kinder oder der Ex.
- Du übernimmst Aufgaben, die eigentlich nicht deine sind.
- Du lächelst tapfer, wenn du dich ausgeschlossen fühlst.
- Konflikten wird aus dem Weg gegangen
- Entscheidungen fallen dir schwer, weil du niemandem auf die Füße treten willst.
- Du gibst mehr, als du bekommst – und hältst das für „normal“.
Was sind die Folgen?
- Du fühlst dich emotional erschöpft und leer.
- In deiner Partnerschaft entsteht ein Ungleichgewicht – oft gibst du mehr als dein Gegenüber.
- Du entwickelst Groll oder wirst passiv-aggressiv.
- Kinder lernen indirekt: Meine Eltern (bzw. Bonuseltern) stellen ihre Bedürfnisse hinten an – vielleicht muss ich das auch.
- Deine eigene Identität verschwimmt. Du weißt irgendwann nicht mehr genau, wer du eigentlich bist und was du brauchst.
Steckst du im Stiefmutter-Hamsterrad?
Vielleicht kommt dir dieses Muster bekannt vor: Du gibst alles, bemühst dich, willst, dass sich alle wohlfühlen – aber am Ende fühlst du dich leer, übersehen und irgendwie nicht wirklich zugehörig. Genau dieses Gefühl beschreibe ich im Stiefmutter-Hamsterrad.
Es ist ein Kreislauf, der sich oft aus einem tief sitzenden People-Pleasing-Verhalten speist. Du möchtest es „richtig“ machen, Anerkennung bekommen, keine Konflikte auslösen – und gerätst dabei immer weiter weg von dir selbst.

Was gegen People Pleasing hilft
- Bewusstwerden: Egal um was es geht – um etwas zu verändern, braucht es zunächst ein Bewusstsein über das Problem an sich. Halte also mal bewusst inne und frage dich ehrlich: Welche Erwartungen versuche ich gerade zu erfüllen? Sind das wirklich meine – oder die von jemand anderem? Erst wenn du das erkennst, kannst du anfangen, bewusstere Entscheidungen zu treffen, statt im Autopilot-Modus zu funktionieren.
- Erlaubnis: Du darfst NICHT gemocht werden. Wirklich. Das klingt hart, aber es ist heilsam. Du musst nicht für alle angenehm, bequem oder hilfsbereit sein. Dein Wert hängt nicht davon ab, wie sehr andere dich mögen. Du darfst unbequem sein, ehrlich, echt – und trotzdem liebenswert.
- Grenzen setzen lernen: Deine Bedürfnisse sind wichtig, genauso wichtig wie der der anderen. Deshalb darfst du für dich einstehen, auch gegenüber den Kindern. Deine Grenze ist nicht egoistisch, sondern eine Einladung an die anderen, dich wirklich kennenzulernen. Und sie schützt dich davor, dich selbst zu verlieren.
- Verantwortung da lassen, wo sie hingehört: Du bist nicht zuständig für die Gefühle anderer. Du darfst empathisch sein – ohne die Verantwortung für das emotionale Gleichgewicht aller Beteiligten zu übernehmen. Wenn jemand traurig, wütend oder enttäuscht ist, bedeutet das nicht automatisch, dass du etwas falsch gemacht hast.
- Unterstützung suchen: Du musst da nicht allein durch. Für Austausch mit anderen Patchworkern komm gern in die Facebook-Gruppe. Manchmal tut es schon zu sehen, dass du nicht alleine bist. Darüber hinaus kann ein Coaching helfen, deine inneren Muster (wie z.B. People Pleasing) zu erkennen – und zu verändern. Und offene Gespräche mit deinem Partner oder deiner Partnerin sind ein Schlüssel, um gemeinsam neue Wege zu gehen. Habt ihr schon mal ein Zwiegespräch ausprobiert?
Selbstlos? Selbstbezogen? Weder noch!
Viele People Pleaser glauben: „Ich bin halt so – ich denke zuerst an andere.“ Und ja, Fürsorge kann eine Stärke sein. Aber wenn sie dauerhaft auf Kosten deiner selbst geht, ist sie nicht gesund – für niemanden.
Genauso wenig hilfreich ist es, ins Gegenteil zu kippen: radikal selbstbezogen zu handeln, Grenzen wie Mauern zu setzen und niemanden mehr an dich heranzulassen. Auch das ist oft kein Ausdruck von Klarheit, sondern von innerer Überforderung.
Was es wirklich braucht, ist Selbstbewusstsein. Das bedeutet: Du kennst dich selbst, deine Bedürfnisse, deine Grenzen – und du triffst bewusste Entscheidungen. Mal stellst du dich an erste Stelle, mal entscheidest du dich aus freien Stücken, dich für andere einzusetzen.
Nicht aus Angst. Nicht aus Pflichtgefühl. Sondern aus Wahlfreiheit.
Das Ziel ist keine Einbahnstraße, sondern eine Balance: zwischen Fürsorge und Selbstfürsorge, zwischen Verbindung und Abgrenzung, zwischen Geben und Nehmen.

SelbstBEWUSSTsein statt Gefallen wollen
Das Ziel ist nicht, dich für andere aufzugeben – und auch nicht, dich abzuschotten. Es geht darum, dich selbst gut zu kennen, deine Bedürfnisse ernst zu nehmen und in Beziehung präsent zu bleiben.
Diese Art von SelbstBEWUSSTsein bedeutet: Du weißt, was dir wichtig ist, und kannst frei entscheiden, wann du für dich einstehst und wann du dich für andere engagierst. Diese innere Klarheit ist die Basis für echte Verbindung – zu dir selbst und zu den Menschen, die dir wichtig sind.
Wenn du dabei Unterstützung suchst, begleite ich dich gern. So kann ich dir helfen:
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